Was haben Schafe mit den Bilmer Zwergwiddern zu tun? Nicht so viel, außer, dass Sie sich bei uns eine Weide teilen. Ich möchte aber diese Platform nutzen, um über unsere Geschichte mit der Krankheit MAEDI VISNA zu berichten, an die wir 2021 unsere geliebte Herde verloren haben.
Die Familie meines Mannes hält seit vielen Jahren hobbymäßig eine kleine Herde Kamerunschafe in der Nähe von Hannover. Seitdem ich 2012 auf den Hof gezogen bin, durfte ich diese wundervollen Tiere kennenlernen und habe mich direkt in diese großartige Rasse verliebt. So kam es, dass wir in den vergangenen Jahren mehrfach Böcke von verschiedenen anderen Hobbyhaltern zugekauft haben. Von der Erkrankung Maedi-Visna hatte ich bislang nur gelesen und dachte „wir haben gesunde Tiere und kaufen augenscheinlich gesunde Tiere zu, dann wird das schon passen“. Irgendwann, wenn die Zeit es zuließe, wollte ich mich mit dem Thema intensiver befassen, aber erstmal war ja alles gut. Dass sich dieser Gedanke als total naiv entpuppt hat, musste ich im Januar 2021 schmerzlich feststellen.
Im Spätsommer des Jahres 2020 hatten wir wieder einen Bock zugekauft, den wir mit drei unserer Damen zusammengestellt hatten. Der Rest der kleinen Herde waren drei alte (+10 Jahre), mit der Flasche großgezogen, Auen und ein kastrierter Bock, ebenfalls ein Flaschenlamm, den ich 2017 großgezogen hatte. Dass letztere nicht (mehr) zur Zucht dienten und ihren Lebensabend bei uns verbringen durften, war klar, alle hatten Namen und einen waren fester Bestandteil des Hoflebens.
Im November 2020 lag unerwartet eine der gedeckten Auen plötzlich ohne Vorwarnung und äußere Anzeichen, die auf etwas schließen lassen konnten Tod im Stall. Wir beobachteten die anderen Schafe in den nächsten Tagen genau, konnten uns „keinen Reim darauf machen und verbuchten diesen traurigen Abgang unter „wir werden wohl nicht herausfinden, woran die Aue gestorben ist.“
Zwischen Weihnachten und Neujahr 2020 fing der Kastrat an komisch zu atmen, man konnte zum Teil ein richtiges Pfeifen hören. (Falls Interesse: Ich habe noch das Video vorliegen, was ich damals dem Tierarzt schickte.). Die Tierärztliche Hochschule Hannover, die unsere Schafe seit Jahren betreut, kam und vermutete eine Lungenentzündung und behandelte darauf. Als nach ein paar Tagen noch immer keine Besserung eintrat und die eher Symptome schlimmer wurden, äußerte die Tierärztin beim nächsten Besuch das erste Mal den Verdacht „Maedi Visna“ und fragte, ob wir eine Blutprobe untersuchen lassen wollten.
Bei Maedi-Visna-Virus handelt es sich um einen „Slow Virus“, was bedeutet, dass Tiere den Virus monate- bis jahrelang in sich tragen können, bis Symptome auftreten. Diese Information ist besonders für Schafshalter wichtig, die - so wie ich in der Vergangenheit - augenscheinlich gesunde Tiere kaufen. Ein solches nicht getestetes Tier kann diesen Virus allerdings in sich tragen und mit in die eigene Herde bringen, obwohl es keinerlei klinische Erkrankung zeigt. Diese kann zweierlei ausfallen: in einer „chronischen interstitiellen Pnumonie (der eigentlichen Maedi)“, also Atemproblemen und zum anderen einer „progressiven Gehirn- und Rückenmarksentzündung (der eigentlichen Visna), mit chronischen intestitiellen Euterenzündung sowie fortschreitender Entzündung von Gelenken“ (Quelle: Homepage Kamerun-Schafe.de, Bericht von Prof. Dr. M. Ganther). Eine Behandlung der Erkrankung ist nicht möglich.
Eine detaillierte Beschreibung des Virus findet sich auf der Vereinshomepage www.kamerun-Schafe.de
Nach positivem Testergebnis und eingehender ausführlicher Beratung mit der Tierärztlichen Hochschule war klar, dass es für den Kastraten keine Hoffnung mehr gab und wir ihn erlösen mussten. Wir entschlossen uns, den Rest der Herde zu untersuchen. Mit dem niederschmetternden Ergebnis: Von den verbleibenden sechs Schafen waren drei direkt positiv, zwei weitere hatten gem. Bericht eine so hohe Aktivität, dass man davon ausgehen müsste, in der nächsten Untersuchung einen positiven Befund zu haben. Die einzige Dame mit einer sehr geringen Aktivität, sollte im Jahr 2021 ihren elften Geburtstag feiern.
In der Familie haben wir alle Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen hin und her diskutiert. Die Tierärztliche Hochschule stand uns dazu zur Seite. Den Bock hatten wir zeitnah nach dem Ergebnis geschlachtet und verwertet; Maedi-Visna positive Tiere können gem. der uns vorliegenden Aussagen und Literatur verzehrt werden, solange die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist.
Für die verbleibende kleine Herde von zwei tragenden Auen und den drei alten Damen hatten wir bestimmt, sie so lange bei uns auf dem Hof als Herde bestehen zu lassen, wie sie augenscheinlich gesund sind und uns bis dahin von der Schafszucht zu verabschieden. Für uns alle war die Vorstellung schwer, augenscheinlich gesunde Tiere, die uns über viele Jahre zum Teil wie ein Hund ans Herz gewachsen sind, zu töten, nur weil ein Laborbericht sagt, sie seien krank.
Die Tierärztliche Hochschule unterrichtete uns darüber, dass man die kommenden Lämmer aber durch eine mutterlose Aufzucht, also dem direkten Trennen von Mutter und Lamm nach der Geburt und dem Buddeln mit der Flasche vor einer Infektion schützen könne. Ich besorgte Kolostrum für den Fall, dass wir so vorgehen wollten.
Bei der Maedi-Visna-Erkrankung wird davon ausgegangen, dass die Übertragung von der Milch der Mutter oder über Tröpfcheninfektion zwischen den Tieren stattfindet. Auch blutsaugende Insekten und mittels Injektionskanüle bei Impfungen kann das Virus übertragen werden. (Quelle: gem. Homepage Kamerun-Schafe.de, Bericht von Prof. Dr. M. Ganther).
Der Tag der Ablammung der ersten Aue kam im Februar. Über eine neu installierte Kamera konnte ich den Geburtstermin abpassen, war direkt im Stall und konnte die Geburt beobachten. Und was soll ich sagen, ich brachte es einfach nicht über das Herz diesem tollen Mutterschaf ihre zwei Lämmer wegzunehmen. Vermutlich auch, weil ich die Worte vom Rest der Familie im Ohr hatte, die alle darauf plädierten, die Herde mit kommenden Lämmern bestehen zu lassen. Ich saß neben den zwei wunderschönen Mutterlämmern, eins schwarzmarkenfarbig und eins schwarzmarkenfarbig gescheckt, vermutlich die von der Zeichnung her schönsten Tiere, die wir je bekommen hatten und war der Meinung, jetzt wird erstmal alles gut und alle Tiere können gemeinsam bei uns alt werden.
Eine Woche später war ich wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt: Eine von den alten Damen fing an, innerhalb von zwei Tagen rapide abzubauen, lief hinten nicht mehr rund und fiel ein. Mit der bestehenden Diagnose im Hinterkopf und dem Wissen, dass man keine Besserung durch eine Medikation erreichen kann, erlösten wir sie. Der Gedanke, den ich noch bei der Geburt der Lämmer in der vorigen Woche hatte, unsere Schafe könnten noch lange und „gesund“ weiterleben, war also eine Utopie. Damit war für mich klar: Schaffen wir es zeitlich die nächste Geburt des einzigen noch tragenden Schafes abzupassen, starten wir bei einem weiblichen Lamm mit einer mutterlosen Aufzucht.
Auch die weiteren Tiere der Herde waren bis auf die Mutter der Zwillingslämmer nicht mehr in bester Verfassung. Im März war es soweit und tatsächlich konnte ich bei bestem Frühlingswetter die Geburt verfolgen und das weibliche Lamm der Mutter sofort wegnehmen. Da sie erstgebärend war, hatte sie noch gar nicht richtig verstanden, was los war und das Lamm nicht wahrgenommen. Das kräftige Lamm bekam bei uns im Garten die erste Milch und wurde mit der Flasche ohne jeglichen Kontakt zu den anderen Schafen großgezogen.
Damit sollte der erste Schritt in Richtung Maedi-Visna Sanierung getan sein. In den nächsten Wochen hielten wir unser Flaschenlamm getrennt von der restlichen Schafsherde und der Tag kam, an dem wir uns von den zwei alten Damen und der eigentlichen Mutter des Flaschenlammes erlösen mussten. Die verbleibende Aue mit den ein paar Wochen alten Lämmern kamen bei einem Bekannten auf einer Weide (ohne Schafskontakt) unter und wurden von diesem bis zur Schlachtreife versorgt.
Nach Rücksprache mit der Tierärztlichen Hochschule, die uns über das Vorgehen zu Stall und Weide unterrichteten, ließen wir die Weide ein paar Tage ruhen und säuberten und desinfizierten den Stall gründlich. Inzwischen hatten wir über Vanessa und Ingo E. ein zweites Mutterlamm aus einem Meadi-Visna-unverdächtigen Betrieb dazu geholt. Im Laufe des Jahres kamen dann vier weitere Auen, drei von Familie K. aus dem Harz und eine von Familie K. aus Bayern dazu, im Dezember noch ein Bock von Vanessa und Ingo E.
Liebe Kamerunschafhalter*innen, solltet ihr bis hierhin gelesen haben, versteht ihr sicher, warum es mir eine Herzensangelegenheit ist, diese heimtückische, tödliche Krankheit zu bekämpfen. Das geht nur gemeinsam! Macht nicht den gleichen Fehler wie wir, sondern kauft aus unverdächtigen Betrieben zu und holt euch die Krankheit in den Stall. Testet eure Tiere und verbreitet diese Krankheit dadurch nicht weiter. Es ist heimtückisch, dass man glaubt, die Schafe seinen augenscheinlich gesund und man hat aber eigentlich tickende Zeitbomben im Stall…
Ich hatte so tolle Unterstützung bei all meinen Fragen zur Sanierung von den Vereinsmitgliedern des Kamerunschafvereins, die sicher auch euch unterstützen werden!